Wie alles begann...
Gedanken beim Eseltrekking
überarbeiteter Blog-Text / Insel.Traum.Leben. / Juni 2017 / copyright Christine Wolfangel
Wie ein paar Langohren dem Saisontourismus Beine machen
Von Henne und Ei, einer Ahnung von Aufbruch in der Luft
und herrlich entspannten Weggefährten
Die Saison auf Sardinien, insbesondere hier in der Ogliastra, ist kurz. Das alte Lied. Je nach Reisezeit fällt das ziemlich deutlich auf – und viele wundern sich. Des einen Freud, des anderen Leid: Manche kommen gerade deshalb gerne in der Vor- und Nachsaison hierher. Weil sie die Ruhe, das Unaufgeregte und die leeren Strände lieben und weiter nichts vermissen. Andere würden sich trotzdem auch in dieser Zeit geöffnete Lokale, Unterkünfte und Läden sowie Freizeitangebote für die Ferien wünschen.
Aber da ist meist wenig dran zu rütteln: Fast alle Anbieter schließen sommermüde pünktlich Ende September mit der Saison ab, klappen Fensterläden zu und Bürgersteige hoch und melden sich frühestens Anfang Juni im folgenden Jahr langsam wieder zurück. Schade eigentlich. Denn genau in den dazwischen liegenden Monaten kann man hier die dollsten Dinge machen.
Bekanntlich hat die Diskussion um Henne und Ei noch nie zu einer befriedigenden Antwort geführt. Ähnlich verhält es sich hier, wenn es darum geht, Sardinien aus dem Winterschlaf zu wecken: Die Luken werden dicht gemacht, weil ohnehin keiner kommt. Auf der anderen Seite kommt keiner, weil alles geschlossen ist. Ein Teufelskreislauf.
Und natürlich ein sehr komplexes Thema, das im Kleinen niemals grundlgegend gelöst werden kann.
Dennoch gibt es für den Einzelnen genau zwei Möglickeiten, damit umzugehen: auf ein Wunder von außen warten oder auf die eigene Initiative vertrauen. Letzteres bedeutet, selbst im eigenen überschaubaren Umfeld tätig werden, sich dem allgemeinen Trend zum monatelangen Winterschlaf entgegen stellen und mit Geduld, Durchhaltevermögen sowie einem entsprechend konzipierten Angebot auf einen Ganzjahrestourismus hinarbeiten.
Schritt für Schritt.
Wie wunderbar, dass es diese anderen, Mut machenden Beispiele tatsächlich gibt!
Es werden gerade von Jahr zu Jahr immer mehr.
Hier möchte ich dir eine dieser Initiativen vorstellen, die gerade im wahren Sinne des Wortes
Schritt für Schritt auf den Weg gebracht wird:
Muschitta und Faccialba schmecken die Disteln am Wegesrand. Und von denen dürfen sie gerne kosten so oft sie wollen. Michele und Nicoletta haben viel Geduld mit den beiden. Sanft und freundlich werden sie immer wieder zum Weitergehen überredet. Und kommen dann auch gerne mit. Die Naschpausen der Eselchen nutzen wir, um den Blick in die Ferne schweifen zu lassen. Auf dem Küstenweg zwischen Santa Maria Navarrese und Pedra Longa bleibt man nämlich ohnehin ständig stehen, um das Meer und die Küstenlandschaft zu bewundern. Wir fühlen uns also voll im Einklang mit unseren vierbeinigen Wanderpartnern, die niemals drängen oder maulen, weil schon wieder einer zurück bliebt zum Schauen, Staunen und Fotografieren.
„Die Esel lassen dich beim Wandern Zeit verlieren, müsste man eigentlich sagen“, kommentiert Michele augenzwinkernd die Situation. „Aber so ist das nicht. Wenn du mit den Eseln unterwegs bist, kannst du nur gewinnen!“ Dem stimmen natürlich sofort auch die Kinder vorbehaltlos zu. Denen ist die schöne Aussicht ohnehin vollkommen Schnuppe. Sie haben nur Augen für die Langohr-Begleitung, wühlen ihre Hände zärtlich ins plüschige Eselfell und strahlen über beide Ohren, sobald sie an der Reihe sind und auf den Rücken der geduldigen, trittsicheren Reittiere gehoben werden.
Michele erfüllte sich mit dem „Trekking Someggiato“ – wie Esel-Trekking auf Italienisch heißt – einen lange gehegten Traum. Den trägt er schon einige Jahre mit sich herum. Das Konzept für die Umsetzung hatte er also quasi schon fertig im Kopf, als es dieses Frühjahr endlich losgehen konnte. Zusammen mit Nicoletta, seiner Partnerin, und Bruder Antonio krempelte er die Ärmel hoch: Packsättel, Halfter und Geschirre wurden ebenso von Hand gefertigt wie Decken, Polster und Satteltaschen. Dann mussten die Esel langsam an die Ausrüstung gewöhnt und trainiert werden. Und nicht zuletzt waren geeignete Wege zu erkunden, zu möglichen Rundtouren zusammenzufügen und von Bewuchs zu befreien. Nun ist pünktlich zum Beginn der Saison alles fertig – Hut ab!
Wer mit den sympathischen Eseldamen Muschitta, Faccialba und Ziguli und den frei mitlaufenden Youngstern Pericle, Clementina und Gastone – die so nebenbei auf ihre kommende Aufgabe vorbereitet werden – auf Tour gehen möchte, hat die Wahl. Im Angebot sind halb- oder ganztägige Touren auf unterschiedlichen Routen unterhalb des Monte Oro-Massivs und entlang der Küste zwischen Santa Maria Navarrese und Pedra Longa. Die ganzjährig und täglich buchbaren Esel-Wanderungen können auf Wunsch mit eigener Verpflegung oder mit einem typisch sardischen Picknick organisiert werden. Die Preise richten sich nach Dauer und Programm. Hier über diesen Link findest du alle Tourbeschreibungen mit Preisen auf einen Blick.
Mein Tipp:
In den heißen Sommermonaten gibt es die abendliche Picknick-Runde.
Start ist je nach Jahreszeit und Temperatur zwischen 17 und 18.00 Uhr.
Auf einem alten Hirtenpfad geht es hinauf Richtung Monte Pittaine und Monte Oro. Von oben genießt man den herrlichen Blick übers Meer und bis zur Pedra Longa. Nach dem Abstieg und circa 1,45 Stunden Gehzeit wartet dann am Esel-Stall ein rustikales Abendessen mit sardischen Köstlickeiten auf die Wanderer. In der Dämmerung und vielleicht im Licht der mitgebrachten Taschenlampen geht es danach zurück zum Ausgangspunkt.